VEREIN DER EHEMALIGEN SCHÜLER UND DER LEHRER DES
STÄDTISCHEN ENGELBERT-VON-BERG-GYMNASIUMS
51688    WIPPERFÜRTH, LÜDENSCHEIDER STR. 46
MITTEILUNGEN NR. 55                       September1994
 
Einladung
zur großen Wiedersehensfeier und Generalversammlung am 22. Okt. 1994
 Zur unserem traditionellen Wiedersehenstreffen, verbunden mit der
Generalversammlung, laden wir alle Vereinsmitglieder herzlich ein.
 Es findet statt
 am Samstag, dem 22. Oktober 1994, 19.00 Uhr,
 in der Gaststätte Floßbach (Schützenhof) Wipperfürth, Gaulstraße.
 
Das Fest beginnt um
16.00 Uhr   mit einem Orgelkonzert in der Aula (Ratssaal) unserer alten
Penne (Altes Seminar). Wir wollen hiermit allen Vereinsmitgliedern die
Möglichkeit geben, den als Ratssaal umgestalteten Raum besichtigen zu
können und um sich von der guten Restaurierung unserer alten Orgel
überzeugen zu können.
                     Im Anschluss hieran findet eine Führung durch das neue
Schulgebäude des EvB-Gymnasiums statt. Schauen Sie selber, wie sich Ihre
Schule gewandelt hat.
19.00 Uhr   Generalversammlung
                     Auf der Tagesordnung stehen:
                     1. Begrüßung und Bericht des Vorstandes
                     2. Kassenbericht
                     3. Entlastung des Vorstandes
                     4. Neuwahlen des Vorstandes und des Beirates
                     5. Verschiedenes
 
Im Anschluss an die Generalversammlung können wir bei musikalischer
Untermalung mit unseren alten Schulkameraden und den anwesenden
Lehrern alte Erinnerungen auffrischen.
Da ein solches Wiedersehenstreffen für alle Beteiligten nur dann zu einem
Erlebnis wird, wenn sie mit möglichst vielen ihren alten Schulkameraden
plaudern können, appellieren wir an alle Ehemaligen, möglichst zahlreich
dieses Fest zu besuchen. Bei unserem letzten Wiedersehenstreffen hat es
sich bewährt, Kontaktpersonen der Jahrgänge zu veröffentlichen, die dieses
Treffen mit einem kleinen Jubiläum verbinden können. Der Vorstand bittet
die Mitglieder dieser Jahrgänge ihre Teilnahme bei den entsprechenden
Kontaktpersonen anzumelden. Auf diese Weise können Sie kurz vor dem Fest
erfragen, welche Ihrer alten Klassenkameraden oder
Jahrgangsstufenmitglieder Sie an diesem Abend antreffen werden.
 
Für alle Abiturienten vor 1954 gilt als Kontaktadresse:
Wilhelm Zimmermann,
Nikolausstraße 21, 51688 Wipperfürth
Tel.: 022267/1285
 
Für 1954:                                 Für 1959:
Kunibert Dahl                        Dieter Metzler
Hof, 14,                                  Am Mühlenberg 10,
51688 Wipperfürth               51688 Wipperfürth
022267/4941                        02267/1813
 
Für 1964: 0 Ia                        0 Ib
Berthold Bosbach                Hans Bernd Kern
Kölner Str. 43,                      Maarhufen Weg 4,
51789 Lindlar                       50226 Frechen
02266/8192                          02234/13857
 
Für 1969: 0 Is                        0 Im
Henrich J. Potthast               Ernst Peter Starke
Birresborner Str. 30,            Am Anschlag 12b,
50935 Köln                           58553 Halver
dienstl. 0221/205030           02353/4485
priv.:    0221/4302110
 
Für 1974:                             Für 1979:
Rüdiger Pelka                      Gunther Formhals
Lüdenscheider Str. 44,       Lenneper Str. 19,
51688 Wipperfürth              51688 Wipperfürth
02267/1617                        02267/7038
 
Für 1984:                            Für 1989:
Markus Braun                      Stefan Bremerich
Gaulstr. 36,                          Dellweg 6,
51688 Wipperfürth             51688 Wipperfürth
02267/7307                        02267/7447
 
Für Mitglieder, die eine weite Anreise haben, und in Wipperfürth übernachten
möchten, geben wir folgende Anschriften von Hotels an, bei denen Sie eine
Zimmerreservierung vornehmen können.
Neye Hotel, Wipperfürth-Neye      02267/7019
Restaurant Koppelberg, Wipperfürth-Wasserfuhr                       
02267/5051
Haus am Markt, Wipperfürth, Marktplatz 17                        02267/3019
Pension Richter, Wipperfürth, Peterstr. 2                        02267/2988
Landhaus Heller, Wipperfürth-Stüttem                        02267/1222
Landhaus Alte Mühle, Wipperfürth-Neyetal 2                        02267/3052
 
Abiturienten des Jahrgangs 1994
Folgende Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 1994 legten erfolgreich die
Abiturprüfung ab. Der Verein gratulierte den zukünftigen Ehemaligen und
überreichte ihnen einen Scheck in Höhe von 300,–DM, der zur
Unkostendeckung ihrer Abiturfeier beitragen sollte.
 
Aus Wipperfürth: Jan Baase, Daniel Bayer, Marco Bilstein, Boris Bromann,
Christoph Claudi, Michael Dreiner, Daniela Esser, Vera Fey, Britta Flock,
Gunnar Flosbach, Marcel Hochstein, Thorsten Hosung, Anja Laudenberg,
Alexandra Michael, Matthias Poser, Maja Ronge, Sonja Schmitz, Susanne
Schmitz, Frank Schuster, Veronika Seidel, Christine Teipel, Nadia Vincenzi,
Christiane Volkenrath, Christina Wagener, Christoph Wald, Christoph
Wasserfuhr, Susanne Weber, Tanja Wingenbach.
Aus Lindlar: Julia Fassbender, Dagmar Frese, Martina Haller, Alexander
Heuser, Jeanine Hoß, Jörg Jansen, Stefanie Keppel, Tobias Klapp, Melanie
Krämer, Meike Kümper, Saied Mohebbian, Nina Roderwieser, Astrid Skoupi,
Kerstin Weitzenkamp, Torsten Winterberg.
 Aus Hückeswagen: Christoph Becker, Alexander Bettenhausen, Andrè
Bocola, Monique Brede, Bianca Buck, Iris Cappelan, Sascha Eberhardt, Knut
Gedeon Geisler, Jens Greffin, Anne Guski, Annette Hartmann, Nadja Hinsken,
Simone Hoffknecht, Andre Jobke, Carsten Koch, Sabine Kuhlmann, René
Köhler, Alexandra Mellin, Nina Neugart, Stefan Noppenberger, Tina Peschla
Daniel Raffelsieper, Anke Schmitz, Michaela Schneider.
 Aus Kürten: Julia Gewert, Daniel Mays, Ursula Rockel, Claudia Roschke,
Kirsten Scheider, Jörg Sommerberg, Thomas Vosskamp.
 Aus Marienheide: Robert Mainusch.
 Aus Kierspe-Rönsahl: Jörn Schumacher.
 Aus Halver: Dagmar Voswinkel.
 
Herr Willi Zimmermann hat im Frühjahr dieses Jahres drei Abiturjahrgänge
bei ihrem Wiedersehenstreffen unterstützt und besucht. Seine Eindrücke hat
er schriftlich festgehalten und uns für die Mitteilung zur Verfügung gestellt.
Am 23. April 1994 trafen sich die „15-jährigen“, also die Abiturienten von
1979. Diese etwa 35-jährigen Damen und Herren hatten sich einen Reisebus
bestellt. Und zum ersten Mal durfte ich mit dem Mikrophon  in der Hand,
neben dem Fahrer sitzend über Gegenwart und Vergangenheit meiner
Heimatstadt berichten. Der Marktplatz (Rathausplatz) über Jahrhunderte
hinweg immer noch Mittelpunkt der Stadt, war mit seinen Jugendlokalen
natürlich zuerst Ort und Anlass froher Erinnerungen, deshalb ein Glas Sekt
wert. Aber auch die Vergangenheit drängt sich auf. Die ev. Kirche mit neuem
Vorplatz und Übergang soll jetzt nur an Pastor Hunke und dessen gutes
Einvernehmen mit dem kath. Pastor Wasiak, einem wachsamen Nazigegner
erinnern. Daneben das Doppelhaus an Bernhard Meyer, den Gründer der
Fabrik an der Leiersmühle; die andere Hälfte „Villa Becker“ an Dr. Leo
Becker (Abi 1912); zu seiner Doktorarbeit (1916) über das Sinusoid muss
sich doch einer aus dieser jungen Truppe im Bus finden, der in einer
Computergraphik die Eigenschaften dieses Drehkörpers der Sinuskurve
anschaulich machen kann. Aber dazu ist jetzt noch keine Zeit. Neben dem
Mauseloch (Muselok), dem Eingang zur Gaulstraße steht auf der Treppe der
„Penne“ der allen bekannte Jonny Johnen, der Inhaber dieser gemütlichen
Kneipe. Auf der Theke steht das Modell strohbedeckten philippinischen
Schule, die Jonni in seinem Urlaub besuchte und seitdem finanziell
unterstützt. Eine solche Entwicklungshilfe ist doch anerkennenswert! Das
angrenzende „Alte Stadthaus“ beherbergt jetzt das Stadtbauamt. Mit seinen
historischen Räumen wäre es für ein Stadtmuseum bestens geeignet.
Vorläufig werden Zimmer und der ausgebaute Speicher für Ausstellungen
und Vorträge genutzt, bis die Bürokratie der Historie Platz gönnt. Hier
wohnte und residierte der Bürgermeister Wülfling, dessen Schwiegersohn Dr.
med. Funcke eine viel beachtete „Geschichte der Stadt Wipperfürth“ schrieb.
Auf der Treppe und im Hauseingang wurde eine zeitlang die hl. Messe
gefeiert, nachdem der letzte Stadtbrand 1795 nur einige benachbarte Häuser
verschont hatte. Die damals gerade fertig gestellte ev. Kirche wurde ein
Raub der Flammen, ebenso die Petruskapelle, in deren 1. Stock der Ratssaal
war. An letztere erinnert nur eine Gedenktafel neben der Kreissparkasse.
Sogar der Turm und das Dach der Nikolauskirche wurden durch die
Feuersbrunst beschädigt. Verschont wurde das nächste Haus, jetzt „Platz 16“
und das Reinshagener Haus, Wohn- und Geschäftshaus eines Wipperfürthers,
dessen Handelsbeziehungen bis nach Ostfriesland im Norden und Triest im
Süden reichten. Später erwarb dieses Haus ein Joh. Vollbach, dessen Enkel
Fritz Vollbach (1861-1940) Generalmusikdirektor in Münster wurde. Dann
wurde das Haus erweitert zum Konvikt, Internat der auswärtigen Schüler des
Gymnasiums. „Kasten“ nannten sie ihr Domizil. Das 1945 durch
Bombenangriff zerstörte Rathaus kann ich nicht mehr erwähnen, die
Rundfahrt beginnt. Über die Untere Str. vorbei an der Nikolauskirche, einem
Denkmal frühromanischer Einmündung zur Hochstraße was das Kölner Tor,
der heutige Kölner Tor Platz lag also weit außerhalb der Stadtmauer. So wird
die Enge der mittelalterlichen  Stadt deutlich, die etwa 2.500 Bürger
beherbergte, neben Scheunen und Ställen für das Vieh. Die Marktstraße hieß
„Kaustrot“ (Kuhstraße). Über die Hochstraße geht es vorbei an der
Gedenktafel für Alois Pollender, dem Entdecker des Milzbrandbazillus. Zu
seinen Lebzeiten haben die Wipperfürther ihn nicht geehrt, er musste die
Stadt verlassen, weil er eine allzu junge Frau ehelichte. Charlotte Schnee,
eine Abiturientin des EvB befasste sich in ihrer Promotionsarbeit mit Werk
und Leben Pollenders.
Durch das Mauseloch, Gaulstraße, Nackenborn geht die Fahrt zum Kloster auf
dem Berge. Seit der Mitte des 17. Jahrhundert halfen Franziskaner in der
Seelsorge der Stadt, missionierten von hier aus in der näheren und weiteren
Umgebung; waren aber auch die Begründer des höheren Schulwesens in
Wipperfürth. Und obwohl bis zu einer Reform um 1780 nur in Religion und
Latein unterrichtet wurde, heißt es in einer Notiz von 1714: Filii etiam
haereticorum immo praedicantium eo mittuntur  (auch Söhne von
Andersgläubigen, ja von Predigern wurden dorthin geschickt). Spürt man in
den Rundgängen des Klosters, heute für Kunstausstellungen genutzt, etwas
von dem Eifer, der franziskanischen Strenge und Einfachheit der
Lebensbewältigung? Die Kirche, ruhig und hell im Frühlingslicht, ist dem hl.
Antonius geweiht. Jedes Wipperfürther Kind wusste, dass man zum hl.
Antonius betet, wenn man etwas verloren hat. Durch den Pottweg
(Ringstraße geht es zum Kölner Tor Platz. Den neuen schönen Brunnen
kennen die meisten noch nicht. Er erinnert an Stadtgeschichte; und das neue
Kaufhaus „Globus“ repräsentiert die konsumfreudige Gegenwart. Weil das
Wetter so schön ist, geht die Fahrt Richtung Hückeswagen in die Umgebung
der Bevertalsperre, zurück zur Stadt, dem „Alten Seminar“ an der
Lüdenscheider Straße. Nicht zuletzt ist es Eurem damaligen Deutschlehrer,
Herrn E. Kahl, zu verdanken, dass dieses Gebäude noch steht. Er gründete
einen Verein zur Erhaltung des alten Seminars. Finanziell wurde diese
Initiative gestützt ebenfalls von einem ehemaligen Schüler des Wipperfürther
Gymnasiums, Herrn Häck aus Lindlar, der zuletzt noch die Renovierung der
Orgel veranlasste. So kann man jetzt ein Haus, repräsentativ von außen und
ihnen, besichtigen, das einen Teil der Stadtverwaltung, die Stadtbibliothek
und eine Aula hat, die zu  Ratssitzungen, Versammlungen und Konzerten
einen würdigen Rahmen liefert. Ein Ehemaliger konnte mit einem Kirchenlied
die Orgel testen; und hier war Zeit für Fragen nach Erweiterung der Stadt
und der Schule. Aber auch zum vertrauten neuen Schulgebäude führte der
Weg der Erinnerung. Hinter einer Tür zeigte uns Herr Kapellen noch die
nackten Felsen des „Geisterkellers“; die zweite Tür führt aber in einen
mühsam aus den Felsen herausgeschlagenen Aufenthaltsraum für die
Unterstufenschüler, wie eine „Gemeinschaftssauna“ meinte ein Ehemaliger.
Eine gewiss lohnende Mühe von Lehrern und Schülern! Im Physiksaal nahm
man noch mal Platz mit nostalgischen Gefühlen.
Auf dem Weg zu Fuß in die Stadt erkundigte man sich beiläufig nach den
Lehrern. Aber auch nach dem damals zwischen den Schulen gelegenen
„Jonnys Pub“. Hier verbrachte man die durch die Oberstufenreform bedingten
Springstunden; aber auch Wochenende wurden als Wehrdienstleistende und
als junge Studenten. Nur Lehrer wurden hier sehr selten gesehen. Liegt es
daran, dass keine Lehrer zu diesem Wiedersehen eingeladen waren. Ging es
ihnen in erster Linie um die Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Zeit
außerhalb der Klassenräume? Oder hat sich auch das Lehrer-Schüler-
Verhältnis geändert? Diese Fragen drängen sich auf, wenn man schon eine
Stunde später beim Abi-Jahrgang 1942 in kleiner Runde im Lokal an der
Marktstraße landet. Diese Ehemaligen hatten mich vor zwei Jahren, zu ihrem
„50-jährigen“ gebeten, die Gräber ihrer verstorbenen Lehrer ausfindig zu
machen. Zu den Grabstätten von StR Josef Möbs auf dem alten ev. Friedhof
und von Direktor Dr. Kobusch auf dem Westfriedhof brachten sie Blumen.
Werden die „1979er“ so etwas auch in 35 Jahren machen? Wohl kaum! Die
Zeiten haben sich geändert…. auch in den Schulen. Denkt man nur an den
Ablauf einer Abiturprüfung, einst und jetzt! Damals ging man zur mündlichen
Prüfung, ohne zu wissen, in welchem Fach man geprüft wurde. Das lag im
Ermessen des gesamten Kollegiums an diesem Tage. Hatte sich ein Schüler
in einem Nebenfach besonders interessiert gezeigt? Vielleicht sogar
selbständig Wissen angeeignet. Heute streng verboten, so etwas zu prüfen.
War die schriftliche Arbeit unter oder über der Vornote? Wird er sich durch
eine mündliche Prüfung verbessern? Oder ist er ein zurückhaltender,
vorsichtiger Denker? Vielleicht muss er gerade deshalb mal gefordert
werden! All das wird kurz überlegt, im Bemühen, dem Schüler gerecht zu
werden. Heute…. prüfen nur drei Lehrer: Prüfer, Protokollant und
Vorsitzender. 3,5 Punkte Unterschied zur Vornote, das verpflichtet zur
mündlichen Prüfung. Bürokratische Gerechtigkeit für alle; ob man der
Entwicklung des jungen Menschen gerecht wird, ist eine andere Frage. Und
so käme man hin, wenn man sich noch um eine schriftliche Charakteristik
des einzelnen Schülers bemühen müsste? Und gerade die sind bei den
Abiturienten, die nach Jahrzehnten sich wieder sehen, von besonderem Reiz.
Manche Ehehälfte äußert sich lachend: „Der alte Lehrer hat dich damals
schon durchschaut.“
Wohlgeordnet liegen viele Abiturakten im Archiv des EvB-Gymnasiums. Eine
dünne Maße für jeden Jahrgang enthält die Noten der letzten drei Jahre, die
Abiturarbeiten, Niederschriften der mündlichen Prüfung (auf einer Seite drei
Protokolle). Welche Papierflut verursacht heute die gleiche Angelegenheit?
Die Bürokratie verdeckt den Menschen. Und nicht nur in der Beurteilung,
auch in seinen berechtigten Ansprüchen auf Studierfähigkeit. Die „beim
Jonny“ aufgefangene Bemerkung einer Medizinstudentin: „Die e-Funktionen
hätten Sie uns wenigstens noch beibringen können“, veranlasste mich,
entgegen der Unterrichtsvorschrift, die Wachstumsfunktion jetzt auch in den
Grundkursen zu behandeln. Das immer wieder abgeänderte Punktesystem
und laufend erneute Unterrichtsvorschriften führen zu einem berechnenden
Umfang mit Menschen, der die persönlichen Aussprache und Begegnung nur
noch möglich sein lässt.
Sieben Tage später stehe ich wieder jetzt mit dem Abiturjahrgang 1944 im
„Alten Seminar“ in der Aula, deren gute Renovierung Anerkennung findet.
Und es werden Erinnerungen wach: Hier vor der Orgel stand ich als
Chorsängerin, dort stand das Rednerpult, die große Nische an der Stirnseite
des Saales ist allerdings nicht mehr vorhanden; hinter einem Vorhang stand
ein Altar für die wöchentlichen Schulgottesdienste (20 vor 8 bis 5 nach 8
Uhr). Immer gut besucht, ganz im Gegensatz zu der mühsamen Nötigung
nach dem Kriege, obwohl eine Unterrichtsstunde für Schulgottesdienst
gestellt wurde. Erinnerungen werden ausgetauscht, und man kam auch auf
das Verhalten der Lehrer gegenüber der Nazi-Propaganda zu sprechen.
Natürlich sind die Lehrer auch heute partei- und weltanschaulich beeinflusst;
nur der große Unterschied besteht in der heutigen Ausweichmöglichkeit und
der Toleranz. Man darf sich aber auch kein Bild von der damaligen Erziehung
machen nach den Klassenbuch-Eintragungen und  nach den Abiturthemen.
Die waren vorgeschrieben, aber es floss doch das alte Bildungsgut in den
Altsprachen, Geschichte und Deutsch mit ein. Selbst in den
Naturwissenschaften  kam durch eine verächtliche Nebenbemerkung in der
Vererbungs- und Rassenlehre über „blauäugig und blond“ als Kennzeichen
eines „besseren“ Menschenschlags die Einstellung unseres Biologielehrers
zum Ausdruck; zumal er die SS hatte verlassen müssen, um seine Felicitas
zu heiraten, die wohl keinen einwandfreien Ariernachweis beibringen konnte.
Oder unser Physiklehrer Heinleb konnte nur lächelnd anmerken, dass man
als Begründer der Relativitätstheorie nicht mehr den Juden Einstein, sondern
einen deutschen Physiker nennen solle. In einem Fronturlaub warnte mich
mein Direktor ganz deutlich, Gymnasiallehrer zu werden. Im Falle eines
Sieges schreiben die Nazis vor, was zu lehren ist; in Mathematik wird es
wohl nicht so schlimm werden. Trotz oder gerade wegen ihrer Eigenheiten
verdienen unsere damaligen Lehrer in schwerer sorgenvoller Zeit heute noch
Respekt und Achtung; darin war ich mit allen Ehemaligen der Jahrgänge
1942 und 1944 einig. Es war für unsere alten Lehrer nicht leicht, ihre
humanistischen und christlichen Ideale zu verwirklichen. Und die
Gemeinschaften, Konfessionen und Institutionen, die diese Ideale gelehrt und
gepredigt hatten, ließen im Ernstfall den Einzelnen allein. Aus dieser
Erfahrung ist es heute so wichtig, das eigene Gewissen zu stärken und
kritisch gegenüber jeder Autorität zu sein, um eigenverantwortlich im Falle
der Bewährung handeln zu können.